Wenn LLMs der neue Browser werden
Noch scrollen wir durch Webseiten, klicken Links, googeln uns von Antwort zu Antwort. Doch was passiert, wenn diese Interaktion selbst zur Vergangenheit wird – ersetzt durch Large Language Models, die direkt liefern, was wir wissen wollen?
Statt durch Tabs zu springen, könnten wir bald durch Konversation navigieren. In diesem Szenario wird das Modell zum Interface – und das Internet selbst verändert sich radikal.
Einige mögliche Folgen:
- Prompt-Portale statt Subreddits: Kleine, spezialisierte Feeds, oft bezahlt, die das Modell auf ein Thema schärfen – wie Mikromodule für Kontext.
- Websites werden wie Enzyklopädien: Man besucht sie nicht mehr aktiv. Sie existieren primär als strukturierter Input fürs Modell.
- Akademische Quellen werden zur begehrten Datenquelle: Nicht wegen SEO, sondern wegen ihrer sauberen, zitierbaren Inhalte – Gold für Trainingsdaten.
- Brand-Stimmen werden codiert: Modelle lernen den Stil einer Marke nur, wenn sie dafür zahlen oder korrekt zitieren – eingebrannt im Embedding.
- Konversationsdesign statt UI-Design: Produktteams schreiben nicht mehr Flows, sondern Drehbücher für den Tonfall ihrer Chat-Interfaces.
- Zugangsrechte statt Paywall: Bezahlt wird nicht für das Lesen, sondern dafür, dass das Modell bestimmte Inhalte überhaupt kennen darf.
- Affiliate-Links sterben: Empfehlungs-Ökonomie wandert ins Modell selbst – gesteuert durch „Vertrauenspunkte“, nicht URLs.
- Reviews werden gewichtet: Eine verifizierte Expert:innenmeinung hat mehr Einfluss als tausend anonyme Sterne.
- Heatmaps werden zu Dialog-Metriken: Wo verliert das Modell das Vertrauen der Nutzerin? Das wird die neue KPI.
- Extensions werden zu Denk-Filtern: Ein Kontext-Filter macht aus derselben Frage eine stoische, feministische oder ökonomische Perspektive.
- Influencer als Fan-LLMs: Digitale Abbilder, die in ihrem Stil antworten – live, persistent, lizenziert.
- Werbebudget fließt in Prompt-Platzierung: Nicht mehr Banner, sondern semantische Präsenz im Antwortraum.
- Onboarding schrumpft auf einen Satz: „Ich will X erreichen – mach einfach.“ Alles Weitere übernimmt das Modell.
- Offline gewinnt an Wert: Ein echtes Selfie mit echten Menschen hat mehr Wirkung als 100 digitale Reviews.
- Preissuchmaschinen verschwinden: Das Modell verhandelt im Hintergrund und zeigt nur das Ergebnis.
- Prompt-Slang wird zur Karrierewährung: Wer weiß, wie man das Modell richtig anspricht, hat einen Vorsprung.
- Domains als Tokens: Kurze, eindeutige Namen werden wichtig, weil das Modell sie schnell erkennt.
- Persönliche KI-Bodyguards: Sie filtern Angebote, Verzerrungen, Zeitverschwendung – vor dir.
- LLM-Lizenzen im Footer: Webseiten erlauben explizit das Zitieren durch Modelle, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.
- Prompt Noise als Waffe: Firmen vergiften absichtlich Trainingsdaten ihrer Konkurrenz – Embedding-Espionage.
- Newsletter mit JSONL: Maschinenlesbare Beilage, damit das Modell korrekt zitiert statt zu halluzinieren.
Kurz: Websites werden zu APIs, und das Modell erzeugt das eigentliche Erlebnis.
Im Übergang wird Google vermutlich seine Rolle als Tor zum Internet verlieren. Und die Sprachmodelle kämpfen um diese neue Vormachtstellung.
Für Creator und Unternehmen heißt das: Sichtbarkeit hängt künftig weniger von SEO ab – und mehr davon, wie strukturiert und modelllesbar der Content ist.
Vielleicht erinnern wir uns eines Tages an das „Surfen“ im Netz wie an das Wählen einer Telefonnummer: ein Übergangsphänomen. Wenn Sprachmodelle zum neuen Frontend werden, verschiebt sich nicht nur der Zugang, sondern auch das Verständnis vom Internet selbst – weg von Orten, hin zu Erfahrungen. Und wie bei jedem Paradigmenwechsel gilt: Was heute wie Science-Fiction klingt, ist morgen Infrastruktur.